Die Reaktion der Leute, die zum ersten Mal vor der „Lathos Bar“ in Nafplion stehen, ist immer die gleiche: Ist das ein Trödelladen? Nein. Eine Bar? Wirklich? Sie nähern sich staunend, treten neugierig ein – und bekommen sofort gute Laune! Das ist kein Wunder, denn das „Lathos“ ist wirklich außergewöhnlich, in jeder Hinsicht!
Nafplions wunderhübsche Altstadt bietet – treppauf, treppab – eine bunte, lebendige, dichte Kneipenkultur. Restaurants, Bars, Cafés – für jeden Geschmack (und jeden Geldbeutel) ist etwas dabei. Das „Lathos“ („Fehler“) haben wir gleich bei unserem ersten Besuch entdeckt, was meinem Faible für „alten Kram“ zu verdanken ist. Auch wir dachten zunächst, es handele sich um einen Trödelladen, und gingen neugierig hinein. Drin lief damals Haydn, das weiß ich noch, weil es so ungewöhnlich (schön) war. Wir bestellten Whisky und gingen auf Entdeckungsreise.
Zu sehen gibt nicht nur Trödel und Krimskrams, sondern auch viele wunderliche Apparaturen, die der Besitzer alle selbst gemacht hat, wie wir später erfuhren: Dort ein Apparat, der einem anzeigt, ob man schuldig oder unschuldig ist, hier ein Schrank, der eine griechische Enzyklopädie enthält und mit „Internet Box“ beschriftet ist, da hinten eine Maschine, die dabei hilft, das Rauchen zu reduzieren, da drüben eine andere, die auf Knopfdruck Geschirr zerdeppert und vieles mehr. Überall bewegt sich etwas, hier ein Blinken, da ein Tröten und Piepen. Eine Augen- und Ohrenweide, ein Kuriositäten-Paradies! Auch in Ganz weit weg habe ich diese wunderbare Bar empfohlen, die wir seither immer besuchen, wenn wir in Nafplion sind.
Tassos Golemis ist der Besitzer dieses Kleinods und der Erfinder der herrlich sinnfreien Apparate. Die sind allerdings weniger das Ergebnis langen Planens, sondern eher Geistesblitze, auch wenn er, wie er sagt, „jeden einzelnen Moment“ darüber nachdenkt, alten Dingen ein zweites Leben zu geben.
Vor 30 Jahren kam Tassos, der in Athen geboren wurde, nach Nafplion. In einer ehemaligen Konditorei fand er den passenden Platz für seine Bar.
„Anfangs war es ein völlig leerer Raum“, erinnert sich Tassos. Nach und nach hat er ihn befüllt. Selten wirft er etwas weg, „ich mag es nicht, Dinge wegzuwerfen.“ Manchmal tauscht er Apparate aus, aber auch die aussortierten hebt er auf.
Mir gefällt seine Liebe zu diesen unbeseelten, oft ramponierten Gegenständen. Es sind beileibe keine wertvollen Antiquitäten, die Tassos hier hortet. Diese banalen, zuweilen kitschigen Überbleibsel vergangener Dekaden rühren mich. Ich stelle mir vor, wie sie in ein paar hundert Jahren in einem Museum zu Resten vergangener Zivilisationen erhoben werden, wo sich die Museumsbesucher noch mehr über Sinn und Funktion dieser Überbleibsel wundern werden als wir, für die diese Gegenstände erst ein paar Jahre oder Jahrzehnte alt sind. Ja, man kann sagen, Tassos hat schon jetzt ein kleines Museum aus Kunst und Alltags-Trash geschaffen.
Seine Bar hat das ganze Jahr über geöffnet. Die meisten Gäste sind Touristen aus Athen oder dem Rest der Welt. Und alle sind begeistert.
Einer der Gäste wollte die komplette Einrichtung in ein Museum in Melbourne transportieren lassen. Dass es dazu nicht kam, liegt unter anderem daran, dass Tassos Angst vor Flugzeugen hat. Geschmeichelt hat ihm das Angebot wohl schon, aber er scheint ganz zufrieden damit zu sein, wie es ist.
Denn: „Wer einmal kommt, kommt immer wieder, von überall her“, meint Tassos. Stimmt und es lohnt sich! Bei jedem Besuch entdecken wir neue Apparate, die Tassos in der Zwischenzeit gebastelt hat. Er führt uns herum, zeigt uns seine neuesten Erfindungen und ich glaube, er freut sich, dass er so viele treue Gäste hat.
Sein Musikgeschmack passt zu diesem Sammelsurium: Er oszilliert zwischen Haydn und Jazz. Zu hören ist das seit 2009 auch über das Internet. Mit diesem Link kommt ihr zur Musik. Es ist übrigens nicht immer die gleiche, die im „Lathos“ läuft. Manchmal legt Tassos‘ Bruder Platten auf und die gemütliche Trödelbar bekommt Club-Atmosphäre.
Falls ihr einen Urlaub in Nafplion plant, verpasst auf keinen Fall das „Lathos“ und grüßt Tassos von mir!
Schöner Artikel über eine tolle Bar.
Erinnert deiner Beschreibung nach ein wenig an Charlys Leierkasten, eine leider längst vergangene Kneipeninstitution in Aachen.
Rest in Peace, Charly!
Lieben Dank! Ich wünschte, wir hätten hier auch so eine Bar, von dieser Sorte (auch von dieser Sorte Wirte) gibt es noch viel zu wenige auf der Welt.
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Ist Nafplion identisch mit Nauplia? Egal…. du hast schöne Erinnerungen in mir geweckt…
lg
fs
So ist es. Manche sagen auch Nauplion. Ich habe die Schreibung gewählt, die der griechischen Aussprache am nächsten kommt. Freut mich, dass bei dir schöne Erinnerungen wach wurden : )
Liebe Grüße
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