Retro: Notizen und Nachrichten per Hand

Wer weiß heute noch, was ein Billet (oder Billett) ist oder gar ein Billetdoux? Diejenigen unter euch Buchfinken, die auch ältere Literatur zu schätzen wissen, kennen den Ausdruck – außer im Sinne von Eintritts- oder Fahrkarte – vielleicht noch aus galanteren Zusammenhängen: das Billet als Briefchen, als Zettel, das Billetdoux als Liebesbriefchen.

Ich bin ein Fan von ungewöhnlichen Visitenkarten, die ich in einer Schale im Flur sammle. Foto: © Petra Gust-Kazakos

Weithin bekannter, weil noch verwendet, sind Visitenkarten. Ursprünglich wurden sie bei Besuchen dem Diener oder dem Hausmädchen gegeben und dann – beispielsweise per Silbertablett – weitergereicht an die Dame oder den Herrn des Hauses zur Ankündigung des Gastes. Diese Visitenkarten konnten durchaus auch als Medium für eine kleine Nachricht dienen, also zu einem Billet werden.

Warum erzähle ich das alles? Weil ich heute in der Werben & Verkaufen auf einen kleinen Beitrag stieß, der mich an Biletts im (fast) Visitenkartenformat erinnerte. Die Druckerei Stolz mit Sitz in Königsfeld im schönen Schwarzwald bringt nämlich sogenannte MessageCards auf den Markt. Das sind kleine, mit dem eigenen Namen bedruckte Karten, die Platz für eine Notiz oder Nachricht bieten. Die Idee ist, der Kommunikation in Zeiten von E-Mails, SMS, Twitter und Co. mit einer handschriftlichen Nachricht wieder eine persönliche Note zu verleihen. Mit den Maßen 7,6 x 12,4 cm sind die MessageCards allerdings größer als Visitenkarten. Aber man kann sie ja knicken. Je 15 Kärtchen werden zu kleinen Blöcken gebündelt, 105 Kärtchen stehen einem dann, hübsch in einem Karton präsentiert, zur Verfügung.

Die Idee ist ausgesprochen putzig, ein bisschen retro, aber nicht altmodisch. Vielleicht vergleichbar mit der Vorliebe für schöne Notizbücher und handschriftliche Einträge in digitalen Zeiten. In diesem Zusammenhang fiel mir wieder die alte Visitenkarte ein, die ich vor einiger Zeit mal in einem Karton voller Allerley bei einem Antiquariat gekauft hatte. In einem älteren Beitrag schrieb ich darüber, wie bezaubernd ich sie fand, zumal sie zugleich als Billet genutzt wurde. Aufgedruckt war, wie früher üblich, nur der Name: Julius Schilling.

Julius Schillings Visitenkarte war mir als Lesezeichen dann doch zu schade, nun liegt sie in guter Gesellschaft in einer Vitrine. Foto: © Petra Gust-Kazakos

Die Nachricht auf der Rückseite lautete: „Meine besten Wünsche für das neue Jahr. Ich kehre morgen nach Cöln zurück u. lasse von da Brief baldigst folgen. Julius“. Dann eine für mich leider nicht lesbare Ortsangabe und „31 Dezbr 83“. 1883, nehme ich an.

Hübsche Handschrift hatte er, der Julius. Foto: © Petra Gust-Kazakos

Wenn die Druckerei Stolz ihre MessageCards im Visitenkartenformat herstellt, könnte ich mir gut vorstellen, mir aus nostalgischen Gründen auch welche zu bestellen. Nur mit meinem Namen, dann natürlich auch nur für den privaten Gebrauch. Alle andere Informationen lassen sich ja heute auch per Internet herausfinden, wenn es einen denn wirklich interessiert ; )

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
Dieser Beitrag wurde unter Gedanken & Notizen abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

37 Antworten zu Retro: Notizen und Nachrichten per Hand

  1. Uschi K. schreibt:

    Das ist wirklich eine zauberhafte Sache. 🙂

  2. IngridW schreibt:

    Die Initiative der Druckerei Stolz hat durchaus ihren Charme. Für so etwas bin ich auch empfänglich.

  3. Maggi schreibt:

    Das klingt nach einer schönen Idee!
    Ich würde mir auch welche anschaffen und damit an eine alte Familientradition anschließen wollen! Meine Urgroßmutter, von der ich meinen zweiten Vornamen habe und die ich sogar noch kennen lernen durfte, und auch meine Oma haben als junge Mädchen/Frauen ihre Visitenkarten, wie damals üblich nur mit dem Namen, in kalligraphischer Schönschrift, selbst gestaltet. Das galt damals als für junge Mädchen angemessene Beschäftigung und die Mädchen wollten sich in der Schönheit der Karten gegenseitig übertreffen, so erzählte es mir meine Oma. Es war eine Art freundlicher Wettstreit und die Karten wurden auch als Zeichen der Freundschaft untereinander ausgetauscht. Eine der Karten meiner Urgroßmutter, noch mit ihrem Mädchennamen, befindet sich heute in einem meiner alten Erbstücke (ein Buch aus ihrem Bestand) als Lesezeichen und Erinnerung.

    Mit den „MessageCards“ wird bei mir also ein Nerv getroffen und zugleich viele positive Assoziationen geweckt!

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Das ist eine sehr schöne Erinnerung, liebe Maggi! Ich freue mich, dass du sie mit uns teilst : ) Diese Karten selbst zu gestalten, ist natürlich wirklich eine tolle Idee, braucht aber auch Zeit und Muße – gleich zwei Dinge, die leider nicht mehr viele Leute im Überfluss haben. Aber damals gab es noch nicht all die netten „Ablenkungen“ (Twitter, Blog, Filme etc.), mit denen man sich heute ganz gern die freie Zeit vertreibt … Da blieb viel mehr Zeit für solche Dinge wie auch für andere Handarbeiten, die uns heute noch erfreuen, wenn wir sie irgendwo sehen oder womöglich erben.

  4. puzzle schreibt:

    Eine hübsche Idee.

    Könnte es sich bei dem nicht gut entzifferbaren Ort eventuell um Schleitz handeln?

  5. Petra Gust-Kazakos schreibt:

    Stimmt, liebe Puzzle, du bist richtig gut : )

  6. Pingback: Analoge Notizen sind modern | Notizbuchblog.de

  7. Pingback: wortmeer

  8. wortmeer schreibt:

    Wie schön altmodisch und sehr, sehr interessant. Stimmt, das kenne ich aus den Jane Austen Filmen 😉 Hach, ich würde ja glatt selbst ein paar Karten drucken lassen, aber für bzw. an wen soll ich sie beschreiben? Danke für diesen schönen Blogbeitrag. Doreen

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Gern, liebe Doreen : ) Und Adressatinnen oder Adressaten für die Billets lassen sich bestimmt finden, und sei es als Geburtstagsgruß oder in einem Päckchen als kleine Nachricht zum Verschickten, an eine Freundin oder einen Freund zwischendurch, wenn du unterwegs eine nette Person kennenlernst – Möglichkeiten über Möglichkeiten!

  9. Lebensmelodie schreibt:

    In unseren Zeiten verlernt man das sentimentale Briefe-Schreiben fast schon… Was ist mit den romantischen, von Herzen kommenden Notizen und Zettelchen, die man der Liebsten zusteckt? Wo sind sie hin, die Erinnerungen, die uns überkamen, wenn wir in den Versen eines von Hand geschriebenen Gedichtes verweilten?
    Manchmal bleibt uns nur die Trauer ob der rationalisierten Methodik der Neuzeit. Ein Teil der Seele vielleicht, der sich zurückbesinnt auf lieb Gewonnenes, auf Unvergängliches, welches Menschen tatsächlich verbindet.

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Ja, das stimmt, Handgeschriebenes ist heute leider sehr selten geworden. Aus dem Briefkasten fallen einem nur noch Werbung und Rechnungen entgegen, die Postkartenflut im Sommer, die Glückwünsche zu Geburtstagen, die Weihnachtsgrüße – all das gibt es nicht mehr (oder nun noch ganz wenige). Von Briefen ganz zu schweigen. Mein Liebster und ich hinterlassen uns aber immer noch Zettelchen mit kleinen Botschaften, das finde ich schön : )

  10. Klausbernd schreibt:

    Hier an der Küste Nord-Norfolks – „out in the sticks“ oder „at the edge“ wie der Engländer sagt – ist das durchaus noch üblich, Visitenkarten mit message abzugeben. Wenn ich bei meinen Nachbarn zum Dinner geladen werde, gebe ich selbstredend meine Karte ab. Das hat auch den Vorteil für den Gastgeber, sich die Vornamen zu vegegenwärtigen, mit denen vorgestellt wird. Und da wir ja nicht konservativ erstarrt sind, schreiben wir meistens auf die Rückseite der Karte eine witzige oder anzügliche Bemerkung – dort pflegt man seine Exzentrizität.

    Liebe von der hochsommerlichen Küste Norfolks
    Klausbernd

  11. Petra Gust-Kazakos schreibt:

    Das ist ja fein, lieber Klausbernd, dass man bei euch noch diese nette Sitte pflegt. Wobei ich es lustig finde, dass die Gastgeber eventuell eine kleine Gedächtnisstütze für den Namen ihrer Gäste brauchen, ich wüsste immer, wie meine Gäste heißen : ) Und anzügliche Bemerkungen? Hihi, kannst du uns ein Beispiel dafür geben – oder wäre das zu … anzüglich?

    • Klausbernd schreibt:

      Ich glaube, um diese Anspielungen zu verstehen, muss man in der englischen Gesellschaft des oberen Mittelstandes leben. Aber hier ein Beispiel: „Happy fulfilling your duties tonight 🙂 “
      Ich habe oft Schwierigkeiten mit den Namen, die immer beim Vorstellen akut werden. So ein Kärtchen beruhigt mich sehr.

      • Petra Gust-Kazakos schreibt:

        Kicher, möge diese charmante Anzüglichkeit mehr als ein „frommer Wunsch“ sein ; ) Denken sich die Gäste eigentlich für den jeweiligen Gastgeber immer neue Sprüche aus oder gibt es da eine Art „Liste“ (nicht notwendigerweise irgendwo schriftlich fixiert, sondern einfach nur allgemeines Sprüchegut), aus der man sich dann einen passenden aussucht?

  12. Heidrun schreibt:

    .. aus der gepflegten Geschaeftswelt sind mir die „with Compliments“ cards gelaeufig – sicher groesser im Format aber auch für die handschriftliche kleine Botschaft.
    Ja – privat schreiben mein Mann und ich uns oft und gerne – von Hand – liebe kleine Notizen … schade eigentlich, die nicht alle aufgehoben zu haben …

    GLG von Heidrun

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Ach, schön, liebe Heidrun, dass ihr auch die Sitte der kleinen (Liebes)Botschaften pflegt. Ich hebe tatsächlich manche auf, oder sie flattern mir zuweilen aus einem Buch entgegen, in das mein Liebster sie einst legte, weil ich es da gerade las und er mich damit überraschen wollte – und sichergehen wollte, dass ich das Zettelchen auch bestimmt finde : )

  13. Dina schreibt:

    Sehr schöne Idee! Ich liebe sowas…..

    Liebe Grüße
    Dina

  14. wildgans schreibt:

    Habe mit Interesse gelesen- und mir von der Firma aus dem Schwarzwald einen Katalog schicken lassen, worin sich diese Kärtchen aber noch nicht befinden.
    Hier noch ein guter- wie ich finde- Artikel zum Thema Handschrift:
    http://www.brandbook.de/blog/2012/08/sich-die-welt-erschreiben/
    Gruß von Sonja

  15. Mila schreibt:

    Ich denke, diese Art Visitenkarten sind aus der Mode gekommen, weil heutzutage kaum Jemand noch unangekündigte Visiten macht, oder? Wir melden uns vorher per Mail/ Handy/ Twitter/ Facebook etc an. Ich weiß nicht, wann Jemand das letzte Mal spontan zum Besuch an der Haustür geklingelt hat. Außer der Nachbarin, um sich ein paar Eier zu leihen, oder dem Postboten. Aber reizvoll ist es jedenfalls, da stimme ich dir zu, liebe Petra. Herzlichst Mila

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Könnte sein, liebe Mila. Ich bekomme zwar schon noch gelegentlich unangemeldeten Besuch, aber das sind dann immer gute Freundinnen oder Freunde. Auch mangelt es mir an einer freundlichen Hausdame oder einem weiß behandschuhten Butler, der mir auf dem Silbertablett die Visitenkarte des unangekündigten Gastes reichen könnte, während der Gast im Salon darauf wartet, vom Butler in die Bibliothek geführt zu werden, um dort mit mir einen Tee oder Schlimmeres zu trinken ; ) Herzliche Grüße und willkommen zurück!

  16. buechermaniac schreibt:

    Ja, ja, die gute alte Zeit – die Nostalgie. Warum seufzen wir und trauern etwas hinterher? Wenn man etwas wirklich mag, dann sollte man es auch in der modernen Zeit weiterverfolgen. Ist doch wie in der Küche. Jeder ist begeistert von selbst gemachten Konfitüren und Eingemachtem, das er in einem Delikatessen-Geschäft entdeckt hat. Ich seufze nicht darüber, ich tue es. Wenn ich jemandem noch einen Brief schreiben will, dann tue ich das. Notizbücher gehören für mich auch immer zum Leben. Und diese Karten, die du beschreibst, liebe Petra, egal für welche Zwecke und egal was andere darüber denken, besorg sie dir und verwende sie. Ist doch schön, wenn nicht jeder nur noch facebook und twitter usw. benützt, auch wenn es praktisch sein mag. Ich finde diese social networks überhaupt nicht so toll. Ich freue mich über jede handschriftliche Zeile, die ich im Briefkasten finde. Erst wenn Altes verloren scheint, merken wir, was es uns bedeutet hat. Schade, dass wir es überhaupt so weit kommen lassen!

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Ich auch, liebe Büchermaniac, aber damit gehören wir nicht gerade zur überwältigenden Mehrheit ; ) Obwohl sich vermutlich immer noch viele Leute freuen, wenn sie eine Postkarte oder einen Brief erhalten.
      Wenn die Druckerei Zeit findet, meine Anfrage bezüglich dieser MessageCards im Visitenkartenformat (statt der Standardgröße) zu beantworten, und hoffentlich positiv, werde ich mir bestimmt die Karten bestellen. Aber vermutlich ertrinken die nach dem Artikel in der W&V gerade in Anfragen aller Art, jedenfalls habe ich bislang noch nichts von ihnen gehört.

  17. B.ee schreibt:

    Liebe Petra, danke für den Beitrag und den Link zu diesen wundervollen Karten. Da habe ich direkt etwas für meinen Vater zum Geburtstag im Mai und ich werde mir dann auch welche für die Praxis gönnen.

Hinterlasse eine Antwort zu haushundhirschblog Antwort abbrechen