Andrew Sean Greers Roman über die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli hat mir damals sehr gefallen. Ich kannte vorher auch nicht F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte „Der seltsame Fall des Benjamin Button“, erstmals 1922 veröffentlicht (der Film dazu ist von 2008). Greers Roman ist gut geschrieben, auch spannend. Melancholisch, vielleicht ein bisschen kitschig wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der sein Leben rückwärts lebt. Nachdem ich Fitzgeralds Kurzgeschichte gelesen hatte, war ich überrascht, weil Greers Idee nicht so einmalig war wie ich dachte. Andererseits gab es ja auch schon den Modernisierungsversuch der Leiden des jungen Werther, warum also nicht auch den Ausbau einer guten Idee zum Roman. Aber ein bisschen enttäuscht war ich doch.
Zur Story: Als Max Tivoli geboren wird, sieht er aus wie ein kleiner Greis, das wird sich mit den Jahren ändern, denn er wächst zu einem alten Mann heran, reift zu einem jungem Mann und ist schließlich, als er mit der Aufzeichnung seinen Lebens beginnt, äußerlich ein Knabe, im Innern aber schon 60 Jahre alt, mit all den Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühlen, die ein Mensch im Laufe eines Lebens sammelt – und mit dem Wissen, dass er 1941 sterben wird. Natürlich muss das geheim gehalten werden, was im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert genauso schwierig ist, wie es heute wäre. Niemand darf etwas erfahren, seine Mutter rät ihm, zu sein, was die anderen in ihm sehen.
Nachdem sein Vater die Familie verlassen hat, lebt Max als der vermeintliche Schwager seiner Mutter im neu bezogenen Haus. Zur Untermiete wohnt die Witwe Levy mit ihrer Tochter Alice. Alice wird die Liebe seines Lebens. Natürlich findet die 14-Jährige keinen Gefallen an dem Alten, dem sie nicht ansieht, dass er im Innern doch erst 17 Jahre alt ist, sondern ihre Mutter. Alice dagegen verliebt sich in Max’ besten Freund Hughie, der ihn sein Leben lang – mit Unterbrechungen – begleitet und um sein Geheimnis weiß. Aber auch Hughie hat seine Geheimnisse.
Max trifft Alice als äußerlich alter Mann, als junger Mann (da ist er auch im Innern endlich so alt, wie er aussieht) und schließlich wieder als Kind (bzw. innerlich als Greis) – und immer liebt er Alice mit einer Intensität, die jeder nachfühlen kann, der die eine große Liebe kennt. Es gibt Zeiten, da können die beiden zueinander finden, aber ihrer beider Leben entwickelt sich nun einmal in entgegengesetzte Richtungen und es gibt nichts, was den Lauf der Zeit aufhalten kann. Das Schicksal der drei Menschen führt Max zu der Einsicht, dass jeder die Liebe im Leben eines anderen ist. Leider macht die Tatsache einen nicht von alleine glücklich.
So viel zu Greers Buch. Wer vielleicht die Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald gelesen hat oder den Film über Benjamin Button sah, dem kommt das alles vermutlich höchst bekannt vor. Das liegt daran, dass von Fitzgerald ursprünglich diese Geschichte über einen Mann (Benjamin Button) stammt, der sein Leben rückwärts lebt. Diese Kurzgeschichte wurde dann wiederum im Film (mit Brad Pitt und Cate Blanchett) durchmischt mit Greers Roman. Kann man natürlich machen. Nach wie vor finde ich Greers Roman gelungener als Fitzgeralds Kurzgeschichte. Und eine Idee, die einmal gedacht wurde, kann immer wieder gedacht werden – oder, wie es bei Dürrenmatts Physikern heißt: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ Insofern ist es dann vielleicht weniger verwunderlich, dass Greer ein sehr ähnliches Thema bearbeitet hat, wie Jahrzehnte vor ihm schon Fitzgerald …
Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und muss gestehen, dass es sich mir nicht erschlossen hat. Ich habe kaum noch Erinnerungen an die Lektüre, nur noch an ein diffuses Gefühl der Verwirrung beim Zuklappen des Buches. Vielleicht war es aber auch einfach die falsche Zeit für das Buch damals. 🙂
Ich wollte zu meinem Kommentar nur noch anmerken, dass ich das Buch von Andrew Sean Greer gelesen habe. Fitzgeralds Geschichte und auch den Film kenne ich noch nicht. 🙂
Der Film ist so lala, die Kurzgeschichte interessant, weil sie das gleiche Thema behandelt. Aber wenn dir der Roman nicht zugesagt hat, lohnt sich das für dich vielleicht nicht so, liebe Mara?
Liebe Petra, den Film habe ich gesehen, die Geschichte dahinter war mir unbekannt. Vielen Dank dir und ein schönes Wochenende!
Dir auch noch einen schönen Sonntag, liebe Dina : )
ich kenne den film, habe ihn seinerzeit auch im blog vorgestellt, aber begeisterung ist anders. ich konnte mit der geschichte nichts anfangen, selbst etwas hinein zu interpretieren, fiel mir schwer….
lg
fs
Mir geht es ähnlich. Ich fand den Film vor allem wegen der maskenbildnerischen (oder tricktechnischen?) Leistung interessant ; ) Liebe Grüße!
Und hier der passende Song zum Buch. Joint Venture: Das Leben sollte mit dem Tod beginnen.
Wie sang schon Falco kurz vor seinem Tod: „Muss ich denn sterben, um zu leben?“
Wohl wahr, wohl wahr. Wobei ich zugeben muss, dass ich die Geschichte an sich nicht so spannend finde, dass ich ihr einen ganzen Roman einräumen möchte. Allerdings ist das fraglos eine Sache des persönlichen Geschmacks.
Wie so oft : ) Wobei natürlich der Roman mehr Möglichkeiten bietet, nicht nur diese Geschichte, sondern auch das Drumherum und weitere damit verwobene Geschichten zu erzählen, so reicht’s dann natürlich für mehr. Und ich denke, dass der Film ganz anders ausgesehen hätte, wenn es den Roman nicht gegeben hätte.
Mehr Möglichkeiten haben heißt aber nicht, dass man sie auch nutzen sollte. Denn manchmal tut eine Einschränkung wie die Begrenzung auf eine Kurzgeschichte dem Inhalt auch gut. (Was ich zugegebenerweise für Tivoli natürlich nicht beurteilen kann, daher ist es das jetzt nur eine allgemeine Anmerkung.)
Das ist sicher in vielen Fällen richtig. Der Tivoli hat das gut gemacht, bei der ein oder anderen Kurzgeschichte mag das ebenfalls klappen. Aber wenn ich beispielsweise an Salingers „Neun Erzählungen“ denke, das wäre keine gute Idee, wollte man die künstlich bauschen.