Bücherkoffer Nr. 14, diesmal von DocTotte

Bücherkoffer, Foto: © Petra Gust-Kazakos

Bücherkoffer, Foto: © Petra Gust-Kazakos

Die Ferienzeit ist wieder da! Und was nehmen wir mit in die Ferien? Bücher natürlich! Diesmal hat DocTotte, der das lesenswerte Blog Tottes Lexikon: Que sçay-je? führt, extra für uns seine Reisetasche mit spannender Reiseliteratur befüllt.

 

 

Auf meine Frage, was er denn wohl in einen Bücherkoffer packen würde, antwortete DocTotte:

„Die Frage nach meinem Buchkoffer ist so amüsant wie aktuell. Ich packe nämlich gerade, weil es am Montag nach Wien geht (und diesmal nicht zum Arbeiten auf der Buchmesse, das steht erst im November wieder an, sondern endlich wieder ein wenig Sightseeing).

Allerdings muss ich insofern enttäuschen, als ich mich gewöhnlich weigere, viel Buch auf Reisen einzupacken. Ich nehme vielmehr lediglich ein einziges Buch mit, das ich entweder sowieso gerade lese oder das mir aus welchen Gründen auch immer für die Reise besonders geeignet erscheint. Der eigentliche Clou ist, dass ich mir auf der Reise neue Bücher kaufe, die ich dann meist erst zu Hause lese. (Eine große Ausnahme war mein erster Islandurlaub; da ich allein im Mietwagen unterwegs war, habe ich abends so viel Seiten verschlungen, dass ich nicht nur Barbara Tuchmans Fernen Spiegel, sondern gleich drei auf Island erworbene Sagas gelesen habe.) Dementsprechend wird der Buchanteil in meiner Tasche – einen Koffer habe ich ohnehin seit über 20 Jahren nicht mehr – für Wien nun recht leicht: Hemingways For Whom the Bell Tolls.

Das allein wäre daher als Buchkoffer etwas langweilig. Also habe ich mir überlegt: Was gibt es denn in meiner Bibliothek für Bücher, die sich mit Reisen beschäftigen und die ich uneingeschränkt zur Lektüre empfehlen kann?

DocTottes Büchertasche

DocTottes Büchertasche

Dabei ist, wie ich meine, ein netter Mix entstanden, dessen Einzelteile vordergründig zwar auffallend viel mit der Seefahrt zu tun haben – meist aber ganz andere Themen ansprechen.

Jules Verne, 20.000 Meilen unter den Meeren

Die Figuren reisen viel in Vernes Romanen, aber keine Reise hat mich so beeindruckt wie die unter dem Meer. Noch heute würde ich gern einmal mit einem U-Boot fahren. Und mir ist es sogar egal, ob es ein Forschungs-U-Boot mit entsprechenden Sichtmöglichkeiten wäre oder ein Militär-U-Boot, das mich spätestens seit Petersens Verfilmung gefesselt hat. Da ich an vielen sinnlichen Wahrnehmungen – darunter u. a. optischer und akustischer Natur – große Freude habe, machten mir nämlich gewiss auch die Geräusche Dutzende Meter unter dem Meeresspiegel eine große Freude, ohne dabei unbedingt irgendwelche seltsamen Dinge in den Tiefen des Wassers zu sehen.

Edgar Allan Poe, Arthur Gordon Pym

Ja, darf man Bücher zum Thema Reise ansprechen und den Pym auslassen? Meines Erachtens nicht. Der Pym ist die Urreise der modernen Literatur, die Urzelle des Abenteuerromans, ohne den viele weitere derartige Romane unmöglich wären. Nicht umsonst hat u. a. Verne den Pym fortgesetzt.

Michel de Montaigne, Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland

Warum nur Fiktion? Eben. Also darf ein Reisender mit einem klugen Kopf wie Montaigne da nicht fehlen. Insbesondere wenn er selbst eine Art Reisereportage erstellt hat. Gut, so nachdenkenswert wie seine Essays ist das Tagebuch sicher nicht, aber es amüsiert eben schon, zu erfahren, wie er beispielsweise die Damenwelt seiner Zeit von Land zu Land beurteilt.

Herman Melville, Mardi

Wenn ich nur die Autoren genannt hätte, hätte bei Melville wohl jeder auf Moby Dick gewettet. Ätsch. Der Moby Dick ist als Buch zwar mehr Monstrum als der weiße Killerwal und doch zugleich Enzyklopädie. Als deutlich unterhaltsamer betrachte ich allerdings bis heute die Reise durch die Südsee, die in Mardi geschildert wird, auch wenn sie in dieser Form mehr Fiktion ist als Moby Dick.

Joseph Conrad, Lord Jim

Es wird mir ein Rätsel bleiben, warum das Herz der Finsternis dermaßen populär ist. Mir ist es zu eintönig, zu wenig stimulierend. Wie bunt und extrem, wie kräftig und spannend ist dagegen Lord Jim! Conrad präsentiert hier wesentlich mehr Leben und kondensiert es zu einem spannenden Roman, den ich enorm schätze.

Frans G. Bengtsson, Röde Orm

Weiter geht’s mit einem Klassiker – mit dem Röden Orm. Das Wikingertableau, das Bengtsson seinen Leser hier präsentiert, ist nicht nur fundiert, sondern auch höchst unterhaltsam.

Jack London, The Sea Wolf

Vom Seewolf war ich schon als Kind fasziniert, als ich die ZDF-Verfilmung gesehen hatte (auch wenn ich damals gewiss nur Bruchteile verstanden habe). Londons Meisterwerk enthält so viel Klugheit, so viel Rauheit, so viel Weisheit des Lebens, dass es uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Robert Louis Stevenson, Treasure Island

In der stilistischen Qualität vielleicht nicht so klassisch wie der Pym, aber dafür hat Stevenson mit Treasure Island eine Menagerie an Archetypen der Seefahrt erfunden und für alle Zeiten in unsere Herzen gepflanzt. Wer kennt nicht das Lied von den Fifteen men on the dead man’s chest? (Bzw. in Deutschland wohl eher die Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste drauf …) Ja, ich kann mich noch erinnern, wie ich das als Fünfjähriger mit Dreispitz, kajalgemalter Narbe im Gesicht und Vorderladerpistole, von Kinderrum pseudobetrunken torkelnd stundenlang im Karneval gesungen habe – weil ich es ernst gemeint habe! Kann man das Buch nach so einer Erfahrung ignorieren? Ich meine: Nein! Im Gegenteil muss man es regelmäßig wiederlesen, was bei mir ohnehin schon erstaunlich genug ist, da ich die allerwenigsten Bücher mehr als einmal lese. (Man lebt schließlich nur einmal und es gibt viel zu viele gute Bücher.)

Raoul Schrott, Tristan da Cunha

Schrotts Vermessung der Insel, die Arno Schmidt geografisch als Grundlage für die Insel Felsenburg betrachtet hat, bleibt ein seltsamer, nichtsdestotrotz bemerkenswerter Roman für mich. Und der Roman darf schon aufgrund der Verknüpfung aus dem vorhergehenden Satz nicht fehlen (Die Insel Felsenburg dagegen schon; sie ist mir, ähnlich wie der Crusoe, zu wenig Reiseroman, um in diese Reihe zu passen.)

Um auf die oben erwähnten sinnlichen Wahrnehmungen zurückzukommen: Ich merke, wie mir während der Niederschrift mehr und mehr Gerüche, Farben und Geräusche ins Hirn rauschen. Ich rieche Seewasser, Öl und Maschinenräume, ich rieche Holz, Holz von Segelschiffen, von Auslegerbooten und von Schnitzereien, Kajütenmuff und der charakteristische Duft von Tau und Segeltuch umgibt mich, ich rieche Fische und Früchte, ich sehe ihre Farben, ich sehe die Grün- und Blautöne des Meeres, schmecke die Algen, höre Möwen und Wellen und Rufe.

Ja, ich habe Fernweh. Und ich freue mich auf Wien, auch wenn ich da eher Wienerwald und Wiener Schnitzel riechen werde als das Meer, das ich seit meiner Kindheit genau so verehre wie ich es respektiere.“

Ganz herzlichen Dank für deine Reise-Bücher-Tasche, lieber DocTotte! Da sind einige Perlen dabei, nach denen ich auch noch tauchen möchte. Ja, das Meer, das werde ich wohl mein Leben lang verehren und vermissen, hier im Südwesten … Aber so ein Kurztrip nach Wien käme mir auch gerade sehr gelegen.

Leerer Koffer, Foto: © Petra Gust-Kazakos

Dieser Koffer wartet auf die nächste Bücherladung. Foto: © Petra Gust-Kazakos

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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33 Antworten zu Bücherkoffer Nr. 14, diesmal von DocTotte

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  2. J. Kienbaum schreibt:

    Doc Totte hat da einen Koffer gepackt, den ich, wenn er einsam aufeinem Gepäckband kreisen sollte, sofort adoptieren würde. Eine feine und feinsinnige Auswahl.

  3. doctotte schreibt:

    Ich habe übrigens zu danken, dass ich packen durfte. 🙂

  4. Chapitre Onze schreibt:

    If I understood well,he takes only one book in his pack 🙂 Wao ! I always take lots of book. Let’s say better : too much books, just in case…
    I love these kinds of article 🙂

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      thank you, my Dear, I love them, too : ) And yes, you understood perfectly right: one book only, but he likes to buy books during his stay. I think, I’m mixing methods: packing more than one book plus buying books ; )

  5. perlengazelle schreibt:

    Da ich im Moment wieder mal auf dem maritimen Trip bin (lesetechnisch), gefällt mir die Auswahl außerordentlich. Auf unserem Dachboden liegt noch ein Uraltkoffer meiner Großeltern – da würden diese Bücher ganz hervorragend reinpassen. Momentan beherbergt er nur das Weihnachtsgedöns … „Das Totenschiff“ von B. Traven könnte ich mir auch dabei vorstellen.
    Und jetzt eine Buddel voll Rum … johohoooooooooo.

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Du könntest doch diesen schönen alten Koffer für die Serie mit Büchern deiner Wahl befüllen? Stelle ich mir sehr schön vor. Und aus der Buddel hinterher ein Buddelschiff … oder ne Message in die Buddel ; )

  6. andreabreuer schreibt:

    Tolle Auswahl! Ich habe mir direkt mal Lord Jim & Pym zur Erstlektüre rausgelegt. Vielen Dank! 🙂

  7. erand47 schreibt:

    Endlich eine Ehrenrettung für „Lord Jim“! Danke dafür.
    Übrigens hat Conrad heute (3. August) vor 90 Jahren seinen letzten Kurs abgesteckt.
    Sein Grabspruch: „Sleep after toyle, port after stormie seas, Ease after warre, death after life, does greatly please.“ ist universell gültig, nicht nur für Seebären.
    LG erand

  8. hokuspokus77 schreibt:

    Spannender Bücherkoffer! Danke dafür. Hab die Serie schon vermisst.

  9. zeilentiger schreibt:

    DocTotte darf mir jederzeit einen Bücherkoffer packen!

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Er könnte glatt einen Extra-Service anbieten: Professioneller Bücherkofferpacker

      • zeilentiger schreibt:

        Solange es Leserinnen und Leser, könnte er sich damit über dankbare Gesichter freuen.

      • doctotte schreibt:

        Haha, da tun sich ganz neue Jobchancen auf. :))

        Übrigens hab ich mal wieder recht behalten, nur ein Buch mitzunehmen. Ich war so viel unterwegs in Wien, dass ich nur 2 Kapitel geschafft habe. Dafür hab ich zwei Neuerwerbungen, einen herrlichen (und ziemlich schweren) Ausstellungskatalog und ein kleines Wörterbuch: So schimpft und flucht Österreich. 🙂

        • Petra Gust-Kazakos schreibt:

          In Wien gibt es überhaupt sehr nette Buchhandlungen! Kannst du eine besonders empfehlen, lieber Doc?

        • doctotte schreibt:

          Dummerweise hab ich vor den von außen schönsten Buchhandlungen immer dann gestanden, wenn sie geschlossen waren. Die üblichen Dödelbuchhandlungen habe ich mir dagegen gleich erspart. Meine papiernen Einkäufe konzentrierten sich daher auf den Belvedere. Insofern fällt es etwas schwer, eine Empfehlung zu geben, außer dass man vorher besser auf die Öffnungszeiten achten sollte. 😉

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