Bücherkoffer Nr. 19 von Jochen Kienbaum/lustauflesen

Bücherkoffer, Foto: © Petra Gust-Kazakos

Bücherkoffer, Foto: © Petra Gust-Kazakos

Auch eine gute Idee: Jochen von lustauflesen packt für uns eine Tasche im Nachhinein. Die Irland-Reise hat er nämlich bereits hinter sich, das macht aber nichts, denn für die Bücherkoffer-Serie präsentiert er uns wunderbare Vorschläge, welche Bücher man für diese Reise mitnehmen könnte.

 

„Also, das ist jetzt ein wenig peinlich. Ich packe hier einen Bücherkoffer für eine Reise, die schon vorbei ist; Dublin – Galway – Doolin – Dingle – Kenmare – Dublin: das war Ende Mai/Anfang Juni die Reiseroute. Bei schönstem Wetter, ganz ohne irischen Landregen. Ja, so geht es auch.

Diese ganz und gar irische Büchertasche, für einen ganzen Koffer ist es zu wenig, ist also nur virtuell; das hätte ich einpacken können! – Oder müssen? – Egal ist eh zu spät. Wäre aber in jedem Fall eine (mögliche) prima Büchertasche gewesen.

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Samuel Beckett, Gesammelte Kurzprosa

Es gibt Menschen, die glauben tatsächlich sie würden Beckett kennen, nachdem sie einmal „Warten auf Godot“ gesehen haben. Welch ein Irrtum. Der wahre Beckett steckt in der Prosa. Und weil mir im Urlaub die großen Romane zu groß sind, packe ich die kleinen Texte ein; alle versammelt in einem schönen Band (in der genial-brillanten-niemals-genug-zu-lobenden Übersetzung von Elmar und Erika Tophoven). Das sind kurze Texte mit langer Nachwirkung, von den ganz frühen, leicht bekömmlichen bis zu den ganz späten, vertrackt-rätselhaft verschachtelt-poetischen.

Paul Murray, Skippy stirbt

Eine junge literarische Stimme Irlands muss auch mit; na, sagen wir eine jüngere. Skippy stirbt ist ein wirklich toller, absurd-komischer, tief-trauriger Roman übers Erwachsenwerden und Erwachsensein. Leider ist die hier eingepackte, schön gestaltete, dreibändige Ausgabe im Schuber beim Verlag Doris Kunstmann längst vergriffen. Aber auch als schnödes Taschenbuch können und sollten jugendliche und nicht mehr ganz so jugendliche Leser diesen Roman genießen.

Jonathan Swift, Gulliver’s Travels

Ein alter Penguin-Classics’-Band; zerfleddert und mit gebrochenem Kleberücken. Aber was Englischsprachiges muss mit an Bord. Mit Gulliver’s Travels auf Reise gehen. Swifts Gesellschaftssatire trifft nämlich heute noch ins Ziel; sooo fremdartig sind die Länder nicht, die Gulliver bereist.

Flann O’Brien, Auf schwimmen zwei Vögel (Hörbuch)

Flann O’Brien, übersetzt und vorgelesen von Harry Rowohlt. Das sagt schon alles. Zwei Whisky-geschwängerte Stimmen der Literatur vereint, was für ein Duett. Muss ich da noch mehr sagen? Zum Brüllen, echt! zum Brüllen, komisch und völlig durchgeknallt. Eine Art Roman-im Roman-im Roman-Geschichte mit Cowboys in Dublin und vielem, vielem mehr. Alles druff auf den iPod und rein in die Tasche.

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James Joyce, Giacomo Joyce

Ein Joyce muss sein, einer der weniger bekannten. Dies ist Liebesgedicht, das niemals aufgesagt wurde. Der junge Sprachlehrer hat es um 1909 heimlich in Triest geschrieben; für eine seiner Schülerinnen, mit der er sich auf eine Affäre eingelassen hatte. Ein feines, poetisches Novellchen von einem Mann, der sich vergisst. Das Bibliothek-Suhrkamp-Bändchen ist zweisprachig und druckt auch das Faksimile der Handschrift ab. Schön!

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Laurence Sterne, Eine empfindsame Reise durch Frankreich und Italen. Von Mr. Yorick

Quasi im Rausgehen noch aus dem Regel geschnappt. Das kleine rote Büchlein aus dem Galiani Verlag muss noch mit, weil ein Reisebuch einfach zum Reisen gehört. In der wunderbaren Übersetzung von Michael Walter blühen diese frisch-frivolen unvergänglichen Reise- und Liebesabenteuer aus dem 18. Jahrhundert wieder auf. Sterne ist frisch und lebendig, obwohl wir vor kurzem bereits seinen 300. Geburtstag feiern durften. Mehr zu Sterne und Walter unter: http://lustauflesen.de/laurence-sterne/

Und weil in Irland Oscar Wilde nicht fehlen darf, noch ein Anachronismus. Ich packe für die Reise ein Lesezeichen ein, das erst am Ende der Reise gefunden wurde. Wenige Stunden vor dem Rückflug, in einem kleinen Buchladen am Rande von Temple Bar. Hier wurde weitere irische Literatur gebunkert. Ohje, noch eine Tüte fürs Handgepäck!

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Und ganz zum Schluss; weil der iPod eh schon drin ist in der Tasche, packe ich da noch das Gesamtwerk von U2 drauf. Geht immer!

P.S.: Was ich wirklich mitgenommen habe, damals auf die Irlandreise, bleibt geheim. Nur soviel sei verraten, es war definitiv irisch! Und die Büchertasche ist nicht ohne Grund eine Tasche: Bücher kommen grundsätzlich mit ins Handgepäck. Das wird nämlich, anders als der Koffer, nicht gewogen. Und selbst groooße, schweeere Taschen gehen noch als Handgepäck durch.

P.P.S.: In Dublin haben wir selbstverständlich auch bei Leopold Bloom angeklopft, aber er war grad wieder in der Stadt unterwegs.“

So eine Reise würde mir jetzt auch gut gefallen – die Lektüretipps sind jedenfalls schon mal klasse! Gut, dass sie sich auch im heimischen Lesesessel genießen lassen.

Dir, lieber Jochen, ganz herzlichen Dank fürs Mitmachen!

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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9 Antworten zu Bücherkoffer Nr. 19 von Jochen Kienbaum/lustauflesen

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  2. ….schon wieder Laurence Sterne. So langsam habt ihr mich weichgekloppt……

  3. Das ist mal eine schöne Büchertasche! Für mich besonders interessant ist die kleine Prosa von Beckett, weil ich sie in der Tat bisher immer links liegen gelassen habe. Auf Schwimmen zwei Vögel von Harry Rowohlt übersetzt UND gelesen muss einfach toll sein (ich fürchte, das muss ich haben), und den wunderbaren, amüsanten, klugen Sterne kann man immer wieder mit Gewinn und Vergnügen lesen.
    Liebe Grüsse
    Kai

  4. Susanne Haun schreibt:

    Guten Morgen, Petra, ich habe meinen Bücherkoffer gepackt und suche deine Mailadresse, um ihn dir zu senden. Magst du mir eine Mail senden an info@susannehaun.de – dann habe ich deine Adresse und kann antworten.
    Liebe Grüße von Susanne

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