Lesen & Medizin

Ich würde nun nicht so weit gehen zu sagen, dass Literatur mich heilt, aber auf jeden Fall lasse ich mich gern von Büchern auf meinem langen Weg zum Gesundwerden unterstützen. Hier ein paar meiner Lese-Highlights der letzten Zeit.

An den Tagen kurz nach der Chemo liege ich viel im Bett und lese vor allem auf dem Reader, das ist leichter für mich. Da hatte ich schon einige Perlen in den letzten Wochen. Beispielsweise Max, der Künstlerroman über Max Ernst von Markus Orths, erzählt entlang seiner Beziehungen zu Frauen. Besonders auch zu der überaus faszinierenden Leonora Carrington und der Kunstmäzenin Peggy Guggenheim, zu beiden hätte ich übrigens auch Lektüre-Tipps: Das Höhrrohr von Leonora Carrington und Ich habe alles gelebt, Peggy Guggenheims Autobiographie. Doch zurück zu Max: Dieser Roman ist zum einen interessant, wenn man gern Biographisches liest, zum anderen auch wirklich sehr gelungen, was ja nicht bei allen biographischen Romanen der Fall ist. Ist auch knifflig, ein echtes Leben, wahre Begebenheiten zu fiktionalisieren, Stil und Ton zu treffen etc. All das ist Markus Orths sehr gut gelungen.

Etwas leichtere Lektüre auf dem Reader war Ein ganz besonderes Jahr von Thomas Montasser über eine junge Frau, die den Buchladen ihrer plötzlich verschwundenen Tante hütet – etwas vorhersehbar, aber gemütliche Buchfinken- Atmosphäre. Liest sich zügig weg und beschert eine angenehme Zeit.

Dann ein ziemlich gelungener historischer Krimi titels Das Geheimnis von Wishtide Manor, geschrieben von Kate Saunders und übersetzt von Annette Hahn. Hierin ermittelt eine mittelalte Witwe meist im Auftrag ihres Bruders (er ist Anwalt), weil sie so hübsch unauffällig ist und entsprechend diskreter vorgehen kann. Laetitia Rodds erster Fall spielt Mitte des 19. Jahrhunderts auf einem Landsitz, wo sie einen Mord aufklären helfen soll. Sympathische Figur und ein gut unterhaltender cozy Krimi. Hier freue ich mich auf jeden Fall, wenn es weitere Folgen geben sollte.

Und von den analogen Werken, die ich in letzter Zeit las, kann ich auch etliche empfehlen:

Ein Festtag von Graham Swift und übersetzt von Susanne Höbel war so ganz erfreulich anders, wie ich nach dem Klappentext  vermutet hatte. Natürlich ging es durchaus um die Affäre eines Dienstmädchens mit einem Sohn aus gutem Hause. Aber vor allem ging es darum, wie aus einer jungen Frau eine Schriftstellerin geworden ist. Der relativ kurze Roman las sich vorzüglich und war keinesfalls der leichte Stoff, für den ich ihn zunächst gehalten hatte. Ich fand ihn sehr schön, gehaltvoll und empfehlenswert.

Elke Heidenreich: Der Welt den Rücken – diesen Erzählband hatte mir eine liebe Freundin mitgebracht aus ihren eigenen Beständen. Und das Schönste: mit ihren Anstreichungen – ich liebe so was, zumal ich bei mir bekannten LeserInnen auch glaube zu wissen, warum genau diese Stelle angestrichen wurde. Jedenfalls: Gute, gefühlvolle, aber unkitschige Erzählungen.

Die gleiche liebe Freundin versorgte mich auch noch mit aktuellerem Lesestoff, nämlich mit Altes Land von Dörte Hansen. Wow, dieser Roman war ein echter Volltreffer bei mir! Es geht um mehrere Frauen, ein altes Haus und die Unmöglichkeit familiärer Beziehungen bei schwierigen Lebensläufen. Es geht um Heimat und Verwurzelung, Flucht und Heimatlosigkeit, um „Vollwert-Eltern“ und „Gummistiefelland“, um privilegierte Städter, die sich auf dem Land von ihrem Leben erholen wollen und die Leute vom Land völlig missverstehen. Um findige Landleute, die daraus ein bisschen Kapital schlagen. Um traditionelle Bauern, die viele Kinder haben und doch keinen Nachfolger. Um Beziehungen, die sich aufdröseln und deren Leidtragende immer wieder die Kinder sind. Um Mütter, die hoffen, dieses Leid abfedern zu können, und um solche, die dazu nicht fähig sind, weil sie auch sich selbst schützen müssen. Sehr empfehlenswert!

So, das waren in Kürze meine Highlights der letzten Wochen. Vielleicht ist was für euch dabei, das würde mich freuen.

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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31 Antworten zu Lesen & Medizin

  1. puzzleblume schreibt:

    Liebe Petra, das sind ganz wunderbare Anregungen, und ich hoffe sie tragen zu deinem Wohlbefinden genau so bei, wie deine Beschreibungen auf mich wirken. Liebe Grüsse, Heide.

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Das freut mich sehr, liebe Heide! Ja, das Lesen ist wirklich nach wie vor wichtig für mein Wohlbefinden … Und natürlich liebe Kontakte, virtuell oder in echt, das trägt mich durch die schwere Zeit. Liebe Grüße!

  2. tontoeppe schreibt:

    Liebe Petra… Elke Heidenreich und Dörte Hansen sind auch bei mir Volltreffer gewesen, der „Max“ ist mir neu, den versuche ich bestimmt, weil Du ihn so beschrieben hast, dass es bestimmt genau was für mich ist. Dank Dir für Deine Tipps und für Dich ein gutes Durchhaltevermögen mit vielen positiven Gedanken. Liebe Grüße, Birgit

  3. arnoldnuremberg schreibt:

    Hallo Petra,
    danke für Deine Beiträge und alle guten Wünsche für Dich. Möge Dir das Lesen und gelegentliche Schreiben wohltun. Für Deinen Leseraum und Leselust der Hinweis auf einen Denker, der 102 Jahre alt wurde und eigene Erfahrungen und Einsichten zur Gesundheit zusammenfasste in diesem Band:
    Hans-Georg Gadamer, Über die Verborgenheit der Gesundheit – Aufsätze und Vorträge:
    http://www.suhrkamp.de/buecher/ueber_die_verborgenheit_der_gesundheit-hans-georg_gadamer_46163.html
    Ja, Elke Heidenreich ist auch so eine Klassikerin.
    Herzlich, Bernd

  4. marinabuettner schreibt:

    „Max“ habe ich auch sehr gemocht.
    Ich weiß nicht, ob es für dich passt, aber ich habe „Der Sinn des Lesens“ von Pieter Steinz empfohlen bekommen. Steinz erzählt von seiner Krankheit Anhand von Büchern aus der Weltliteratur. Es ist als Taschenbuch bei Reclam erhältlich.
    https://www.reclam.de/special/steinz
    Viele Grüße und alles Gute!

  5. buchuhu schreibt:

    O ja, da wäre was für mich dabei, vor allem “Max“. Vielleicht hast Du ja auch schon “Die Frau des Windes“ von Elena Poniatowska gelesen, ein faszinierendes Porträt von Leonora Carrington. Dazu jetzt noch den “Max“, und ich hätte wahrscheinlich ein noch vollständigeres Bild.

  6. Susanne Haun schreibt:

    Liebe Petra,
    zuerst einmal wünsche ich dir gute Besserung, Durchhaltevermögen und Stärke. Lesen ist eine gute Art, Krankheit zu bewältigen.
    Mit dem Max habe ich auch schon geliebäugelt bin aber noch nicht dazu gekommen. Ich habe als letztes Tyll von Daniel Kehlmann gelesen. Ich mochte sowohl Inhalt als auch Sprache des Buchs. Es gibt es auch als ungekürzte Hörbuchfassung gelesen von Ulrich Noethen. Vielleicht ist es schön, wenn du im Bett oder auf der Couch liegst, dir von einer schönen Stimme das Buch vorlesen zu lassen?
    Liebe Grüße von Susanne

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Vielen Dank für deine guten Wünsche, liebe Susanne! Der Tyll ist mir schon ein paar Mal empfohlen worden, ich lese ohnehin immer gern die Bücher von Kehlmann. Hören wäre vielleicht eine schöne Alternative … Liebe Grüße!

  7. nettebuecherkiste schreibt:

    Altes Land fand ich auch ganz wunderbar. Weiter gute Genesung!

  8. Ulli schreibt:

    Liebe Petra, die von dir genannte Bographie über Max Ernst kenne ich (noch) nicht, aber ich habe sie mir notiert, gerne habe ich diese Biographie über ihn gelesen: https://cafeweltenall.wordpress.com/2013/08/21/loplops-geheimnis-max-ernst-und-ich/
    Ich glaube, dass mir Altes Land auch gut gefallen wird, das habe ich mir ebenfalls notiert.
    Ich wünsche dir weiterhin Geduld bei deinem langen Weg der Genesung, immer wieder gute Literatur und liebe Menschen um dich herum, (wobei ich bei beiden letzteren Wünsche glaube, dass sie nahezu überflüssig sind 😉 ) herzliche Grüße, Ulli

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Liebe Ulli, deinen Link schaue ich mir auch gleich näher an. Ich freue mich, dass da gleich 2 notierwürdige Tipps für dich dabei sind : ) Lieben Dank für deine guten Wünsche & liebe Grüße!

  9. SätzeundSchätze schreibt:

    Liebe Petra,
    ich hoffe doch, dass die Literatur zumindest Ruhe gibt – die zur Heilung ebenso notwendig ist. Und dass Du Dir einfach vorstellst, Du wirst so eine aufsässige alte Dame wie im Hörrohr – ein Buch, das ich mir wegen Deiner Empfehlung gekauft habe und das mich unendlich amüsiert hat.
    Liebe Grüße und alles Gute von Birgit

  10. karu02 schreibt:

    Vielen Dank für die Tipps und gute Besserung. Auf meiner Liste stehen jetzt Altes Lan und Höhrrohr.

  11. Liebe Petra,
    Willkommen, ich freue mich. „Da“ (hier) bist Du, auf Deiner Seite und mit Vorschlägen.
    Welche Herzenwärme geht von Dir aus. Nicht nur heute, in Deinen gesamten Beiträgen spürt man (ich) es.
    Ja, Du kämpfst einen Kampf und dazu braucht man (wir Alle) Medizien, Liebe, Zuversicht, seelische Kraft, Freunde. Musik, Bücher (die Arbeit). Zuweilen einen Hund zum kuscheln! Einen stillen Begleiter, der mitfühlt, ohne Worte. Etwas, was in eine andere Richtung als denken, nachdenken, lenkt. Ein sich fallen lassen und von innen wieder aufstehen. Keine Liebe ist selbstloser, als die eines Hundes. Ich weiß, es klingt ein bisschen merkwürdig. In stillen Stunden und für mich, erzähle ich meinem Hund alles. Er denkt, es ist Meeresrauschen, legt seinen Kopf in meinen Schoß und läßt sich kraulen. Wärmt mich mit seiner Hingabe, dies sind die Momente des Stärkens der eigenen Kräfte.
    Schön das es Dich gibt. Hilde

  12. entdeckeengland schreibt:

    Liebe Petra, schön, dass Dir das Lesen Lichtblicke gibt und dass Du die Kraft und Lust hast, uns daran teilhaben zu lassen. Ich habe mir den Max und das Höhrrohr notiert. Ein Festtag von Graham Swift ist wahrscheinlich im Original Mothering Sunday, oder? Deine Inhaltsbeschreibung klingt jedenfalls so. Das Buch habe ich auch sehr gerne gelesen. Jetzt wünsche ich Dir viel Kraft und gute Besserung und vor allem auch weiterhin viel heilsame Lektüre. Ganz liebe Grüße, Peggy

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Danke dir, liebe Peggy! Ja, der Festtag ist der Mothering Sunday. Die deutsche Ausgabe hat übrigens auch ein schönes Cover, das mich auch gleich reizte. Viel Spaß mit Max & dem Hörrohr : ) Liebe Grüße!

  13. Achim Spengler schreibt:

    Gute Besserung, liebe Petra. Ich bin zuerst einmal ein wenig geschockt, wusste ich doch nichts davon. Was ich dir wünsche, ganz heftig und mit aller Zuversicht, die ich aufbringen kann: Die heilende Wirkung guter Literatur. Und davon zählst du uns eine ganze Menge auf. Einiges davon kenne ich und stimme im Großen und Ganzen deinen Eindrücken zu. Einiges andere kommt auf die Liste wünschenswerter Literatur.

    Liebe Grüße

    Achim

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