Virtuelle Ausflugsziele für Bibliophile, Nr. 8

Heute habe ich mal wieder zwei virtuelle Ausflugsziele für euch. Diesmal geht es um einen Literatur-U-Bahn-Plan, ums Essen und um Ideen, die in der Luft liegen – manche werden realisiert, andere zumindest für die Schublade umgesetzt.

Ein U-Bahn-Plan zur Literatur der Weimarer Zeit

Jörg Mielczarek ist ein großer Kenner der Literatur der Weimarer Republik. Er gibt nicht nur die ausgezeichnete Zeitschrift Fünf. Zwei. Vier. Neun. heraus sowie eine Buchreihe, um an die Schriftstellerinnen und Schriftsteller jener Epoche zu erinnern. Er hat auch ein Buch darüber geschrieben mit dem Titel Von Untertanen, Zauberbergen, Menschen ohne Eigenschaften. Den Spuren der Autoren wie Fallada, Hesse, Feuchtwanger oder Döblin folgt er anhand eines U-Bahn-Plans: „Es gibt eine politische Linie, eine bürgerliche und eine religiöse. Es gibt eine Linie der Neuen Sachlichkeit und eine, die sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigt.“ Mehr dazu hier: http://literatur-weimar.de/ueber_das_buch.htm

Und das Beste: Der U-Bahn-Plan ist online – mit Stopps bei den verschiedenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern – http://literatur-weimar.de/ – man  kann gar nicht mehr aufhören zu klicken!

Lesen & Kochen

Marion führt nicht nur das Literaturblog Schiefgelesen, sie hat auch eine Idee umgesetzt, die ich selbst mal vor über zehn Jahren für mein Bücher-Café hatte: Sich nämlich Literatur quasi einzuverleiben bzw. Gerichte, die in Romanen vorkommen, nachzukochen oder – falls zur Zubereitung wenig im Buch steht – selbst zu interpretieren, wie das Gericht zubereitet werden könnte. Mehr dazu auf ihrer Seite „Essen aus Büchern“: https://schiefgelesen.net/essen-aus-buechern/

Besagtes Bücher-Café habe ich natürlich nie eröffnet, aber irgendwie dann doch in Form eines Schubladen-Romans, den ich darin spielen ließ. Oh, ich wusste genau, wie das Café aussehen sollte! Ein Bücher-Café, entlang der Wände also vor allem Regale mit Büchern, dazwischen Lampen und alte Fotografien in Sepia. Die Möbel, die Bücher und Fotografien und fast das gesamte Geschirr stammen von Flohmärkten und Trödlern.

Gemeinsam ergeben sie eine seltsame Harmonie aus lauter Dingen, die nichts verbindet, außer der Tatsache, dass sie viel erlebt haben. […]

Bei der Einrichtung widmete sie der Auswahl der Bücher besondere Aufmerksamkeit, da sie in ihrem Café die Hauptrolle spielen sollten. Nun sorgen Nachschlagewerke in den unteren Regalreihen für Stabilität. Darüber locken Bilderbücher in unordentlichen Stapeln Kinderhände zum Blättern, was sich die Kunstbände in der nächsten Etage zu verbitten scheinen. Diese Diven, die ihre besten Zeiten bereits hinter sich haben, versuchen, ihre schwindende Schönheit durch Haltung wettzumachen, damit ihre abgestoßenen Schutzumschläge nicht jedem sofort auffallen. Am ehesten ähneln sie den Aristokraten in Saffian, deren goldgeprägte Rücken beim Öffnen leise über die alphabetische Ordnung seufzen, der ihre Herkunft gleich ist. Auch die Klassiker in Leinen bewahren Haltung neben den Taschenbüchern, die sich allzu innig an sie lehnen.

Hübsch, nicht wahr? Zum Essen heißt es:

Madeleine wollte ihre Gäste nicht nur mit Literatur umgeben, sie sollten die Möglichkeit haben, sie sich geradezu einzuverleiben. Als sie Fabio bei seinem Vorstellungsgespräch von ihrem Plan erzählte, hauptsächlich Speisen anbieten zu wollen, von denen sie in Büchern gelesen hatte, verstand er sie zunächst falsch.

„Ich bin Koch! Ich brauche keine Bücher, ich habe alles hier drin!“ Empört pochten Fabios Finger gegen seine Stirn.

Sie musste lachen. „Ich meine natürlich keine Kochbücher! Sondern Romane, Rezepte und Speisen, die in Romanen vorkommen.“

Und jeden Montag schreibt Madeleine dann die Gerichte für die kommende Woche auf eine schwarze Tafel im Schaufenster:

Unter die Tafel legt sie die passenden Bücher, mit denen sie den Appetit ihrer Gäste auf Literatur zu wecken hofft. Dann gießt sie die Kräuter im Schaufenster. Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian. Dass sie damit eine Zeile aus einem ihrer Lieblingslieder in die Terrinen mit Goldrand gepflanzt hat, ist bislang niemandem aufgefallen.

Ihr könnt euch also vielleicht vorstellen, wie entzückt ich war, dass Marion wiederum zu ihrem „Essen aus Büchern“ von einem englischsprachigen Blog inspiriert wurde mit dem Namen The Little Library Café

 

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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10 Antworten zu Virtuelle Ausflugsziele für Bibliophile, Nr. 8

  1. SätzeundSchätze schreibt:

    Sollte es irgendwann doch zum Bücher-Café kommen – ich bin dabei. Und mittlerweile kann ich fast so gut kochen wie lesen. Aber nur fast.

  2. puzzleblume schreibt:

    Die Idee kam mir beim Lesen der detaillierten kulinarischen Beschreibungen in den Romanen von Georgette Heyer auch immer wieder, dass diese förmlich danach rufen, umgesetzt zu werden.

  3. Niamh O'Connor schreibt:

    Um Kulinarisches mache ich zur Zeit lieber einen Bogen (Fastenzeit!), aber den U-Bahn-Plan finde ich genial – vielen Dank für den Tipp!

  4. Anne-Marit schreibt:

    Von Jörg Mielczarek ist ja nun alles auf dem Weg zu mir. Ich bin gespannt, was mich da erwartet.

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