Shelfie Nr. 23 von Wolfgang Schwerdt

8Ausschittkarte WohnzimmerHeute gibt es die Shelfies des Autors und Journalisten Wolfgang Schwerdt zu sehen – sogar mit ein bisschen „Cat Content“. Ich habe Wolfgang via Twitter kennengelernt und gefragt, ob er Lust hätte, bei den Shelfies mitzumachen. Zu meiner Freude hatte er.

Und zwar – schwuppdiwupp – viel schneller als erwartet. Warum das so war, wird er euch gleich selbst erzählen. Wolfgang ist bei mehreren Blogs aktiv, seinem Autorenblog, bei GeschiMag, einem Online-Geschichtsmagazin, sowie bei zwei buchbezogenen Blogs, dem Buchprojektblog zur Rotbartsaga und dem Begleitblog zum Buch Forscher, Katzen und Kanonen.

Aber nun soll Wolfgang zu Wort kommen:

„Zwei scheinbar völlig zusammenhangslose Ereignisse haben mich zu mir ansonsten nicht gerade naheliegenden Lebensbetrachtungen geführt. Dass ich meinen Shelfiebeitrag – entgegen meiner Ankündigung – nun auch noch innerhalb eines Tages fertiggestellt habe, ist ebenfalls diesem Zusammentreffen geschuldet.

Das erste Ereignis war die Shelfie-Anfrage von Petra. Das Zweite ein Buch, das ich gerade zwecks Rezension lese. Natürlich habe ich mir immer darüber Gedanken gemacht, wie ich mein Bücherregal am besten organisiere, schließlich ist dessen Inhalt eine meiner wesentlichen Arbeitsgrundlagen. Das Ergebnis dieser Überlegungen, vor allem aber des praktischen Gebrauchs, war bislang kaum Gegenstand meiner Betrachtungen. Nun, mit Petras Anfrage schon.“

1Shelfkarte

Shelfkarte

„Und so stehe ich vor meinem Bücherregal und versuche – neben dem Offensichtlichen – eine innere Struktur zu erkennen. Im Hinterkopf schwirrt mir das bislang Gelesene aus dem Buch Karten, ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab, das nach der Rezension auch seinen Platz in meiner Handbibliothek finden wird, durch den Kopf. Und mir wird klar: Das, was ich da vor mir sehe, ist eine Karte, ein Führer zu wesentlichen Teilen meines Lebens. Jedes einzelne Buch stellt dabei einen Karteneintrag dar, den ich allein durch das Betrachten des jeweiligen Rückens lesen kann. Es ist eine Karte, die sich aber auch ständig verändert, in der meine Erkenntnisse und Prioritäten im Verlaufe der Zeit, bestimmte Ereignisse, ja selbst persönliche Entscheidungen verzeichnet sind. Das beginnt mit den eben nicht zufällig ganz unten stehenden Büchern, die bereits in meiner Jugendzeit mein Interesse gefunden haben, ganz wesentlich die schönsten Sagen des klassischen Altertums, also der olle Schwab.“

2Wo der Fluss entspringt

Wo der Fluss entspringt

„Direkt darüber mein erstes Schwerpunktthema, mit dem ich mich wohl rund zwei Jahrzehnte intensiv beschäftigt und zu dem ich sogar den ‚Verein zur Förderung der (kulturgeschichtlichen) Drachenforschung‘ gegründet habe. So ganz nebenbei schuf ich Drachenskulpturen und bestückte damit kleine Ausstellungen und vieles mehr. Das ist hinsichtlich der Aktivitäten Geschichte, Persönliche, ein Stück Lebensgeschichte eben, an die ich mich bei der Betrachtung jedes einzelnen Buchrückens im Detail erinnere. Und wehe, wenn ich eines dieser Bücher herausnehme und aufschlage, wie einen vergrößerten Lebenskartenausschnitt.“

3Drachenland

Drachenland

„Ganz oben, ebenfalls eher am Beginn der Timeline des Buchregals, die Bücher zur keltischen Kultur, die jedenfalls, die sich aufzuheben lohnten, weil sie dem persönlichen intellektuellen Stand entsprechen, der das Kondensat langjähriger Beschäftigung mit dem Thema darstellt. Interessant hier auch, welche Bücher nicht mehr dabei sind, ich erinnere mich an jedes Einzelne und auch an die Gründe, weshalb es aus meiner Karte verschwunden ist.“

4Durch die Welt der Kelten

Durch die Welt der Kelten

„2009 war das 2000jährige Jubiläum der Varusschlacht. Ein journalistischer Renner und irgendwie auch der Zeitpunkt, an dem ich mich ausgerechnet mit den alten Römern, zu denen ich nie ein wirklich begeistertes Verhältnis aufbauen konnte, auch im Internet als kompetenter Fachjournalist für Kulturgeschichte etablieren konnte. Für mich war endgültig das Netz-Zeitalter angebrochen, mit eigenen Special-Interest-Online-Magazinen, journalistischen und literarischen Experimenten, Aufbau von beruflichen und persönlichen virtuellen Netzwerken, Herantasten an social networking und vieles, vieles mehr. Das Verrückte daran, mein Leben war dabei, sich rasant, aber trotzdem irgendwie kaum wahrnehmbar zu verändern. Ja, ja, die alten Römer.“

5Die Römer und das World Wide Web

Die Römer und das World Wide Web

„Ich möchte meine geneigten Leser nicht mit den eigentlich doch nicht wirklich wehmütigen Gedanken eines alten Mannes langweilen und so mache ich einen Sprung ins Hier und Heute. Der aktuellste Teil meiner Karte: die Literatur zur Schifffahrtsgeschichte. Ich schaue ihn mir an, den naturgemäß umfangreichsten thematischen Kontinent. Auch hier spannende Erinnerungen. Die ersten englischsprachigen Rezensionsexemplare zum Thema Schifffahrtsgeschichte, Unterwasserarchäologie kamen von amerikanischen Universitäten und ich weiß noch, wie begeistert ich darüber war (und immer wieder bin), dass ernsthafte wissenschaftliche Bücher so wunderbar lesbar und verständlich, so ganz ohne elitäre Allüren und Kompetenz vortäuschendes Fachchinesisch, sein können. Und beim Blick auf den einen oder anderen Buchrücken erinnere ich mich daran, wie entsetzt ich war, als ich feststellen musste, wie sich renommierte deutsche Verlage (selbstverständlich in der Extremform nur im Einzelfall) trauten, ganz wunderbare englischsprachige Bücher durch stilistisch und inhaltlich unglaublich schlechte Übersetzungen zu versauen.“

Ein neuer Kontinent

Ein neuer Kontinent

„Das Kondensat der ebenfalls vieljährigen Beschäftigung mit Schifffahrtsgeschichte und Unterwasserarchäologie ist das Rotbartbuchprojekt, das im übertragenen Sinne die Entdeckung der Neuen Welt bedeutet, deren Hauptkomponenten sozusagen in den Regalkartenkartuschen näher erläutert sind: Die Katzen, die nicht nur das Leben von mir und meiner Frau mitprägen, sondern die unter anderem als Schiffskatzen nun ein Hauptthema meines literarischen Schaffensbilden. Vom trojanischen Pferd über Drachen und Vampire zum Imperium Romanum bis hin zur Katze, ein im Bücherregal kartierter Lebensfluss mit vielen Nebenarmen, der sich noch immer durch mythische und wissenschaftliche Gebirge frisst, der seine Mündung noch lange nicht erreicht hat und sein Bett ständig verändert.“

Kartouche

Kartouche

„Was so eine einfache Anfrage und die Lektüre eines Buches doch so alles auslösen kann. Ich glaube, ich werde sogar wieder ein wenig öfter meine Shelfkarte aufschlagen, um ein wenig darin, in meinem Leben, herumzureisen.“

Ich bin begeistert, lieber Wolfgang, was meine harmlose Anfrage da bei dir ausgelöst hat. Und wie vielseitig deine Interessen und auch dein Wirken als Journalist und Autor sich hier für uns auffächern – das ist sehr interessant zu lesen! Gut gefällt mir auch dein Bild von einer Art Bücherlebenskarte oder auch der Timeline. Wobei ich auch daran denken musste, bei wie vielen Themen doch noch bei mir weiße Flecken existieren (Hic sunt leones). Jedenfalls danke ich dir herzlich fürs Mitmachen!

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
Dieser Beitrag wurde unter Shelfies abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

11 Antworten zu Shelfie Nr. 23 von Wolfgang Schwerdt

  1. Petra Wiemann schreibt:

    Alles so schön nach Lebens- und Interessenphasen arrangiert. Diese Beschreibungen zum Bücher-Ordnungssystem und die Reflexionen dazu habe ich mit Genuss gelesen!
    Und das erwähnte Kartenbuch liegt auch schon bei mir und wartet auf den richtigen Zeitpunkt.
    Petra, ich bin immer wieder fasziniert, was für unterschiedliche Regaltypen du für deine Reihe gewinnen kannst.

  2. Wolfgang Schwerdt schreibt:

    Einen ganz herzlichen Dank an Dich zurück, liebe Petra. Nicht nur, für das, was Du mit Deiner Anfrage angerichtet hast 😉 , sondern auch für diese Shelfie-Idee überhaupt.

  3. Susanne Haun schreibt:

    Hallo Wolfgang und Petra,
    ich mag es, wenn in den Büchern die PostIts zu sehen sind. Das sind die Bücher, die der Leser „richtig“ bearbeitet hat.
    Meine Bücher mit PostIts sind mir vertraut wie ein lieb gewordener Mensch.
    LG Susanne

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Ja, das sind die Bücher, die durchgearbeitet, mit denen gearbeitet wurde: Postits, Zettel, Randnotizen, Unterstreichungen – damit machen wir die Bücher wirklich zu unseren eigenen Büchern, denn eine andere Person würde vielleicht andere Notizen und Unterstreichungen vornehmen. Liebe Grüße!

      • Susanne Haun schreibt:

        Bestimmt würde eine andere Person auf anderes Wert legen. Ich kaufe oft gebrauchte Bücher und da finde ich es immer spannend, was andere unterstreichen. Diese Seiten werden dann wild, ich unterstreiche wieder anders…. und so ist es, als diskutiere ich mit dem Unsichtbaren Vorbesitzer! LG von Susanne

  4. Pingback: Die Sonntagsleserin #KW 13 – März 2014 | lese-leuchtturm.de

  5. Pingback: Die Sonntagsleserin #KW 13 - März 2014 | Lese Leuchtturm

Hinterlasse einen Kommentar