Vorgelesen: Zero

Mein Liebster und ich haben uns neulich mal wieder einen spannenden Roman vorgelesen: ZERO. Sie wissen, was du tust von Marc Elsberg. Beim Lesen fragt man sich ständig, wie viel davon schon längst Realität ist – oder bald sein wird.

Minidrohnen bedrohen den US-amerikanischen Präsidenten und seine Familie – live im Internet zu verfolgen, damit alle sehen, dass selbst der vielleicht am besten beschützte Mensch der Welt nicht vor ihnen sicher ist: vor ZERO, einer Gruppe von Internetaktivsten, die mit solchen Aktionen und kleinen Filmen die Menschheit vor den Gefahren der Datenkraken warnen wollen. So heißt auch die Message am Ende der Filme stets: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Datenkraken zerschlagen werden müssen.“ Natürlich ein putziger Verweis auf Catos „Ceterum censeo, Carthaginem esse delendam.“

ZERO weckt das Interesse aller Medien, darunter auch des Daily, dessen Chefredakteur Anthony die famose Idee hat, ZERO selbst zu fangen – also mit Hilfe der Leserschaft. Seine Mitarbeiterin Cynthia Bonsant – die Hauptfigur des Romans – stattet er mit Datenbrille, Smartwatch &c. aus, damit sie, technologisch auf dem Quivive, über das Geschehen berichten kann.

Cynthia, Anfang vierzig, ist zunächst skeptisch, dann aber doch fasziniert von der Datenbrille und den Möglichkeiten. Ihre Tochter Vi erst recht. Sie leiht sich die Brille aus und da geschieht ein Unglück: Ein Junge aus ihrer Clique erkennt mit Hilfe der Datenbrille unterwegs einen polizeilich gesuchten Mann und verfolgt ihn. Dabei wird er von ihm erschossen.

Wie konnte das passieren, wer ist schuld? Cynthia, Vi, die Datenbrille oder das Unternehmen Freeme, das seinen Nutzern ActApps anbietet, mit denen sie sich selbst optimieren können? Die Apps geben nicht nur Tipps zum Flirten, sie motivieren dazu, effizienter zu lernen, mehr Sport zu machen, sich gesünder zu ernähren, selbstbewusster zu werden – und theoretisch könnten sie die Menschen noch zu ganz anderen Verhaltensweisen bringen. Oder tun sie das sogar schon? Denn warum wurde der Junge so risikofreudig, dass er einen polizeilich Gesuchten selbst verfolgt hat?

Weitere Akteure bei der Jagd auf ZERO sind Geheimdienste, die Polizei, Freemee und ein weiteres, übergeordnetes und mit allen möglichen anderen vernetztes Unternehmen, dessen Boss seine Allmachtsfantasien verwirklichen will. Aus entsprechend vielen Perspektiven wird der Roman erzählt, was das Vorlesen bzw. Folgen sämtlicher Haupt- und Nebenfiguren anfangs zu einer kleinen Herausforderung werden lässt. Noch mehr aber die Sprache. Lauter kurze Sätze. Vielleicht will. Man ja. Die Leserinnen und Leser. Nicht überfordern. Und alles im Präsens. Was ich aber okay fand. Also, sprachlich nicht so meins, aber die Handlung hat es wieder gutgemacht.

Der Roman thematisiert aktuelle und künftige Gefahren, die sich daraus ergeben, wenn man sich allzu ungezwungen im Netz bewegt und den Freuden des technologischen Fortschritts frönt. Schon heute werden unsere Daten fleißig gesammelt. Das Unternehmen Freemee tut dies auch und gaukelt seinen Usern zugleich vor, sie könnten ihre Daten selbst verwalten und auf Wunsch auch verkaufen. Dass die User dabei allerdings ihre Privatsphäre völlig aufgeben und zu allem möglichen manipuliert werden können, erfahren sie nicht. Stattdessen versuchen sich alle selbst zu optimieren mit den ActApps, denn verbessern sich ihre Persönlichkeitswerte, so steigt auch der Wert ihrer Daten.

Wie viel entscheiden wir noch selbst? Schon bei der klassischen Werbung wussten wir um die Manipulation und konnten uns mit dem Gedanken trösten, dass wir ja letztlich selbst entscheiden, welches Waschmittel wir kaufen. Dieses Naivitätslevel hat Freemee mit viel Gamification drumrum weich gepolstert. Am Ende ist doch alles nur ein freiwilliges Spiel. Doch was, wenn das Mitspielen zur Pflicht wird?

 

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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17 Antworten zu Vorgelesen: Zero

  1. gkazakou schreibt:

    Gestern sagte mir eine allein lebende Freundin, sie habe Angst, denn sie werde von einer Drohne verfolgt. Abends erscheine sie am Himmel, morgens sei sie da, und wenn sie mit dem Auto zur Arbeit fahre, folge ihr das Ding. Sie fühlt sich ständig beobachtet und hat kürzlich ihren Weg zur Arbeit geändert. …..
    Seelisch ist dies Zero also schon höchst wirksam.

  2. dj7o9 schreibt:

    Vorlesen finde ich ganz wunderbar, mache ich auch für mein Leben gern. Lese jeden Abend vorm Einschlafen vor 🙂
    Ich gebe Dir Recht, sprachlich ist Elsberg nix Besonderes, aber er packt immer ein paar sehr spannende Themen an und vom technisch-wissenschaftlichen Background her, finde ich es gut recherchiert. Ich mochte kürzlich „Helix“ ganz gern. Vielleicht ist das noch mal was fürs gemeinsame Lesen irgendwann:

    Helix – Marc Elsberg

  3. Pingback: [Philea’s] Vorgelesen: Zero – #Literatur

  4. Petra Wiemann schreibt:

    Mir gefiel Blackout am besten, sowohl sprachlich als auch was die Charakterisierung der Personen betrifft. Die waren mir in den letzten beiden Büchern zu flach geraten. Aber Elsberg hat ein Händchen dafür, aktuelle Themen in eine spannende, atemberaubende Handlung zu packen. Alles ist gut recherchiert und nah dran an dem, was technisch möglich ist. Für mich viel zu spannend vor dem Einschlafen 😉

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Da sagst du was, liebe Petra. Das ist wirklich so ein Pageturner, bei dem man immer noch weiter lesen möchte. Das Vorlesen diszipliniert da ein bisschen, weil man irgendwann entweder vom Vorlesen oder vom Vorgelesen bekommen müde wird ; )
      Jedenfalls bin ich nun noch gespannter auf Blackout!

  5. Missparkerc schreibt:

    Das Buch habe ich auch gelesen. Fand ich super spannend. Obwohl mir auch Blackout fast noch besser gefallen hat. Gut recherchiert, aktuelle Themen. Er schreibt so, dass ich am liebsten immer weiter lesen will.

    Sich gegenseitig Bücher vorlesen ist eine sehr schöne Sache. Mein Schatz und ich lesen uns auch gerne vor, meistens aus der Zeitung beim Frühstück. Hin und wieder auch aus Büchern, aber bisher kein Ganzes.

    Herzliche Grüße aus Wien,
    Caroline

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Ihr könntet ja mit kürzeren Büchern probieren, ob das auch was für euch wäre? Aber schön, dass ihr euch gern aus der Zeitung vorlest, das ist beim Frühstück viel schöner, als allein zu lesen. Und dann natürlich noch danach über das Gelesene sprechen : ) Herzliche Grüße!

  6. Pit schreibt:

    Danke, liebe Petra, fuer die Vorstellung dieses Buchs. Macht mich sehr neugierig.
    Hab’s fein,
    Pit

  7. La Imperial Feng schreibt:

    … sich vorlesen, das finde ich toll! Auch schön, dass die Abende jetzt wieder länger werden 🙂

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Es ist so gemütlich. Nach dem Abendessen mache ich uns eine schöne Kanne Tee und dann geht es los mit dem Vorlesen. Derzeit lesen wir uns schon wieder etwas vor, diesmal „Blackout“ vom gleichen Autor, noch spannender!

  8. herbstblatt101 schreibt:

    Oh mein Gott, ein Zero-Vorleseabend müssen wir (Olli und ich) dann wohl auch noch eintüten. „Blackout“ kenne ich, aber auch nur über das Zuhören und Tee nachschenken. Grins! Elsbergs` Themen spiegeln sehr gut die Zeit und den technischen Fortschritt wieder, brandaktuell und megaspannend. Blackout hatte unsere Erwartungen jedenfalls übertroffen. So im Nachgang,nachdem ich deine wunderbaren Zeilen gelesen habe, es ist ja fast wie ein gesellschaftlicher Zwang sich hier und dort zu vernetzen, und manchmal fragt man sich, ob man den technischen Fortschritt fürchten soll. Ein bisschen ja und ein bisschen nein schätze ich. Dass die Datenbrille Google Glass jemanden unbemerkt filmen und fotografieren kann ist gruselig, irgendwann soll sie sogar zeitgleich einen Datenabgleich aktivieren sowie den Gemütszustand (und was weiß ich noch) herausfiltern können. Immerzu habe ich derzeit das Gefühl, dass das Unvorstellbare morgen schon da ist, dass wir Fähigkeiten verlernen, weil alles direkt abrufbar ist. Ein absolutes „NO GO“ ist für mich zum Beispiel, mir einen Chip in die Hand implementieren zu lassen, um Einkäufe mit unterschiedlichen Währungen wie Bitcoins zu tätigen, und dann ist da noch die gute „Alexa“, die mir das Licht einschalten kann. Nee nee! Ich könnte gerade ewig weiterschreiben, weil mir so viele Dinge durch den Kopf rattern. Wie auch immer, ich sende liebste Grüße und wünsche euch beiden viel Spaß mit Blackout.

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Das stimmt, brandaktuell und megaspannend, so lässt sich das sehr gut zusammenfassen : ) Wir fanden Blackout besser als Zero, obwohl dieser Roman ja auch schon sehr spannend war, aber Blackout war einfach deutlich besser geschrieben.
      Dieser Vernetzungszwang, dem sollte man versuchen zu entgehen, indem man sich beispielsweise nur auf Kanälen tummelt, die einem wirklich Spaß machen. Ich kann eh nicht alle lesen und so richtig verfolgen, also beschränke ich mich da lieber ein bisschen, das nimmt für mich auch einfach ein Stück Stress raus.
      Die Datenbrille scheint ja noch nicht so verbreitet zu sein, aber diese Uhren, die allerlei Körperfunktionen messen, sehe ich bei meinen sportlichen Kolleginnen und Kollegen und im Freundeskreis doch immer häufiger. Aber so eine „Uhr“ brauche ich wirklich nicht. Doch die Vorstellung, dass irgendwann die Krankenkasse anhand der übertragenen Daten vielleicht meinen Tarif bestimmt, finde ich schon ziemlich gruselig. Ganz zu schweigen von implantierten Chips. Uff! Wenn man anfängt, über all die technologischen Errungenschaften unserer schönen, neuen Welt nachzudenken, kommen einem ja leider wirklich nicht nur die angenehmen oder arbeitserleichternden Seiten in den Sinn.
      Liebste Grüße ❤

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