Bartleby & Co.

Dieser Roman von Enrique Vila-Matas, der keiner klassischen Romanstruktur folgt und auch sonst wenig mit einem „normalen Roman“ zu tun hat, ist lesenswert für alle, die sich für abseitigere Themen der Literaturgeschichte interessieren.

Der Ich-Erzähler Marcelo hat kein Glück mit den Frauen und arbeitet in einem hässlichen Büro. Vor 25 Jahren (der Roman spielt 1999) verfasste er „einen kleinen Roman über die Unmöglichkeit der Liebe“.Danach schrieb er nie wieder, außer im Rahmen seiner Arbeit als Büroangestellter. Er sei zum „Bartleby“ geworden, einem Typus, dessen Name Marcelo einer Erzählung Herman Melvilles entlieh. Jener Bartleby, Schreiber in einer Anwaltskanzlei, entzog sich seinen Aufgaben immer mehr, indem er auf Anweisungen erwiderte, er würder es lieber nicht tun. Peu à peu entzog er sich damit nicht nur seiner Arbeit, sondern letztlich auch dem Leben selbst. „Bartlebys“ also nennt Marcelo jene Schriftsteller, die ein oder mehrere Bücher veröffentlichten und es dann – für alle anderen unverständlich – vorzogen, nie wieder zu schreiben.

In der Folge versammelt Marcelo, durchnummeriert wie Anmerkungen, kurze Geschichten zu den verschiedenen „Bartlebys“ der Literatur. Dabei finden sich große Namen wie Walser (Robert, nicht Martin), Musil oder Rimbaud, weniger bekannte, wie der italienische Schriftsteller Bobi Bazlen, dessen Anmerkungen ohne Text Marcelo quasi das Motto seines Unternehmens verdankt, und dazwischen eingestreut fiktive Autoren. Einer davon ist, wie ich bei meinen Recherchen feststellte, auch der Schriftsteller Robert Derain, der bereits ein ähnliches Buch geschrieben haben soll, die Eclipses littéraires, die so interessant klangen, dass ich sie auch gern gekauft hätte. Womit es ja nun leider nichts wird.

Jedenfalls ist dieses Buch hoch interessant und amüsant und man lernt eine Menge Schriftsteller der Verweigerung kennen, was für Literaturfans vielleicht eine interessante Abwechslung sein könnte. Sowie natürlich das Paradox, sich selbst einen Bartleby zu nennen und darüber ein Buch zu schreiben, wie Marcelo es tut.

Übrigens hat die Geschichte über den erfundenen Derain noch Kreise gezogen, mehr dazu hier. Die Literaturgeschichte neu aufzumischen und Literaturgeschichten zu erfinden, scheint ein Faible von Vila-Matas zu sein, in diesem Zusammenhang empfehle ich auch Dada aus dem Koffer.

Rezension erstmals erschienen im „Virtuellen literarischen Salon“.

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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2 Antworten zu Bartleby & Co.

  1. buchpost schreibt:

    Vielen Dank für diese Besprechung, der ich nicht widerstehen konnte. Zum Glück habe ich das Buch im Tauschticket gefunden, sodass ich meinem Vorsatz, ein paar Monate keine Bücher zu kaufen, noch treu bleiben kann. 🙂

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Oh, das freut mich sehr! Das Buch ist wirklich herrlich und sicher das am leichtesten zu lesende von Vila-Matas. Und die vielen Schriftsteller, die er zusammenträgt – genial!
      Ich versuche jetzt auch mal, eine zeitlang meine Stapel runterzulesen, mal sehen, ob ich es schaffe, ohne neue zuzukaufen ; )

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