Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher

In gewisser Weise könnte man dieses Buch als Listenbuch im besten Sinne beschreiben (im besten Sinne, weil es nicht um To-dos geht): Lauter Buchtitel und ihre Geschichten, warum wir sie (noch) nicht in Buchhandlungen finden können. Ein wunderschön gemachtes lesens- und sehenswertes Vergnügen!

Nachdem ich Tilmans sehr verlockende Besprechung der Bibliothek der ungeschriebenen Bücher gelesen hatte, spazierte ich gleich zu meiner Lieblingsbuchhandlung – und nun entzückt das Buch auch mich. Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher, zusammengetragen von Annette Pehnt, Friedemann Holder und Michael Staiger, beruht auf einem wirklich schönen Konzept, das noch dazu sehr sehenswert umgesetzt wurde. Zunächst wurden 200 Autorinnen und Autoren angeschrieben, etwas zu diesem Buch beizutragen. Geantwortet haben – man möchte sagen: leider nur – 71, deren Geschichten zu Buchtiteln, aus denen nie ein Buch wurde oder ein Buch mit einem ganz anderen Titel, sich in diesem Buch finden. Daraufhin haben 71 Grafikerinnen und Grafiker, Designerinnen und Designer der HfG Karlsruhe und des Fachbereichs für Gestaltung der FH Bielefeld Umschläge für diese Titel entworfen, die wir nun gemeinsam mit den kurzweiligen, amüsanten, nachdenklichen, tiefsinnigen „Titelgeschichten“ genießen können.

Das Thema imaginärer, erfundener, nie geschriebener Bücher war mir in den vergangenen Jahren in Variation immer mal wieder begegnet. Beispielsweise als kreativitätsfördernder Vorschlag in Stephan Porombkas Kritiken schreiben. Ein Trainingsbuch. Hier empfiehlt er, virtuelle Bibliografien zu erstellen zu Büchern, die man gern schreiben würde – komplett mit Autor, Titel, Untertitel, Erscheinungsort etc. Reizende Idee – und Spaß macht sie auch! Wer weiß, vielleicht schreibt ja wirklich mal jemand eines dieser Bücher aus einer solchen virtuellen Bibliografie. Außerdem fiel mir in diesem Zusammenhang Alexander Pechmanns Die Bibliothek der verlorenen Bücher ein, worin sich drei Kapitel befinden, in denen es um „Bücher, die nie geschrieben wurden“, „Mehr oder weniger imaginäre Bibliotheken“ und „Bücher, die es vielleicht gibt“ geht. Und schließlich kann man in Rainer Schmitz‘ Mammutwerk Was geschah mit Schillers Schädel? spaltenlang Geschichtchen über ungeschriebene oder erfundene Bücher finden (Spalte 178 – 185). Darunter auch die über Charles Dickens, dessen Geheimtür zu seinem Arbeitszimmer wie ein Regal gestaltet war. Darin befanden sich lauter Buchattrappen, die von Dickens erfundene Buchtitel trugen. Sehr einfallsreich und witzig dazu.

Interessantes am Rande: In der Bibliothek der ungeschriebenen Bücher wird der Begriff Titrologie erwähnt, natürlich kann man sich denken, was das sein soll. Als ich aber danach googelte, fand ich fast ausschließlich französische Einträge, vermutlich weil, wie es im Buch heißt, sich um den französischen Literaturwissenschaftler Gérard Genette eine Forschungsrichtung entwickelt habe, die sich Titeln, Klappentexten etc. widmet. Im Englischen sprich man anscheinend von Titology, unter Titelogie fand ich mehrere niederländische und auch einen deutschen Beitrag, wobei diese Begriffe wohl auch scherzhaft für in mit Titelhuberei zusammenhängende Aktivitäten stehen. Wieder was gelernt.

Über Petra Gust-Kazakos

Fiel als Kind in eine Buchstabensuppe; Femme de lettres, virtuelle Salonière, Public Relations Managerin, Autorin, stets lese- & reiselustig https://phileablog.wordpress.com/
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16 Antworten zu Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher

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  2. Herr Ärmel schreibt:

    Es gibt hie&da Untersuchungen, die sich mit den Titeln Büchern beschäftigen.
    Ein leicht zu lösendes Rätsel sind die Titel bei Arno Schmidt, die häufig auf andere, ältere Titel verweisen. Ich bin mir unsicher, ob diese Forschungen nicht in den Bereich der Intertextualität fallen…
    Nachsaunaundpumpelsattsiestaschwere Grüsse aus dem prächtigen Bembelland

  3. IngridW schreibt:

    Interessanter Hinweis. Das ist ja wohl auch was für DruckSchrift.

  4. dasgrauesofa schreibt:

    Liebe Petra,
    bei Tilman habe ich mich schon in dieses Buch verguckt, es aber über ein schönes Mittagsschläfchen fast wieder vergessen… Und nun kommst Du auch noch damit an und machst mir den Mund so wässrig, dass es wohl sofort ganz oben auf dem Unbedingt-Sofort-Kaufen-Post-it landet. – Und eine schöne Idee für nebelige und verregnete Herbsttage ist es ja auch, entweder das Bibliografieren der absolut lesenwerten Bücher oder das Phantasieren der noch zu schreibenden Bücher.
    Viele Grüße, Claudia

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Liebe Claudia, ich freue mich, dass ich das Buch wieder in dein Gedächtnis zurückrufen konnte – es ist so schön gemacht, auch als Geschenk für andere Büchermenschen sehr zu empfehlen. Und bald ist ja wieder Zeit für die weihnachtlichen Wunschzettel … Liebe Grüße!

  5. gudrunlerchbaum schreibt:

    Mich hat natürlich niemand gefragt. Aber lange bevor ich vor einigen Jahren mit dem Schreiben angefangen habe, hatte ich auch mal einen Titel im Kopf, zu dem es bis heute kein Buch gibt. Das Senfherz. Entstanden, wie man sich vielleicht denken kann, nächtens am Würstelstand …

  6. perlengazelle schreibt:

    Hach, wenn ich doch noch Platz hätte für ein Regal, um da Buchattrappen im Sinne Dickens aufstellen zu können. Ein Ebook-Reader hilft in diesem Fall leider gar nicht.
    Meine Bücherwunschbuchliste hast du mal wieder um Längen verlängert, liebe Petra, – böseböseböse!! 😉

    • Petra Gust-Kazakos schreibt:

      Hihi, ich sehe, du hast gemerkt, dass ich in einer Empfehlung gleich drei Buch-Tipps versteckt habe ; ) Diese Buchattrappen finde ich auch herrlich! Aber wie dir fehlt mir dazu leider der Platz. Vielleicht könnte man eine Tür mit einer Art Buchtapete verkleiden und immerhin zweidimensionale Attrappen dort unterbringen …

  7. Ulli schreibt:

    danke Petra, das zuerst!
    ich fand gestern auf einem Bücherflohmarkt: der Schatten des Windes von Carlos Ruiz Zafon, hier geht es um einen geheimnisvollen Friedhof der Bücher, eine geheime Bibliothek von Büchern, die der Vergessenheit anheim gefallen sind … so kommen zwei Themen zueinander 😉

    herzliche Grüsse Ulli …

  8. Liebe Petra,
    habe schon auf Tillmanns Blog gsehen, dass da eine Anschaffung droht – und nun auch noch Du. Ich habe da für mich jetzt die Lösung gefunden, dass das ein typisches Wunschzettelbuch sein könnte – und es steht ja ein Termin vor der Tür, vor dem man von Leuten gefragt wrd, ob man sich denn was wünschen täte… naja, und wer weiss, vielleicht ist bis dahin ja eins der vielen ungeschriebenen Bücher doch noch geschrieben worden. Aber im ernst, ich finde die Idee klasse und werde das Buch bestimmt irgendwann in Händen halten.
    Danke für den Buchhabenwollenwunschverstärkungstipp und
    liebe Grüsse
    Kai

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